Rolle rückwärts nach vorne

Rolle rückwärts nach vorne

klingt für eine Urteilsbesprechung vielleicht „komisch“, beschreibt die Vorgehensweise aber durchaus zutreffend.

Worum geht es? Das Bundesverfassungsgericht hatte im vergangenen Jahr die Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs zu den sog. wandelbaren Lebensverhältnissen für nicht verfassungskonform erachtet und so die Anwendung der „Drittelmethode“, nach der der Bedarf des geschiedenen Ehegatten, des unterhaltspflichtigen (geschiedenenen) Ehegatten und dessen neuen berechtigten Partner auf jeweils ein Drittel des gesamten verfügbaren Einkommens festgelegt worden war, für unzulässig erklärt.

Also musste der BGH über diese Konstellation neu entscheiden und tat dies mit einem am 17.01.2012 veröffentlichten Urteil.

Und jetzt kommt die Rolle zurück in´s Spiel: obwohl der Gesetzgeber das Unterhaltsrecht zum Beginn des Jahres 2008 reformierte, sollen jetzt wieder die – auf den Tag der mündlichen Scheidungsverhandlung stichtagsbezogenen – ehelichen Lebensverhältnisse den Bedarf des geschiedenen Ehegattten definieren. Zur Begründung werden Urteile aus den Jahren 2003 und früher (1985!) herangezogen. Nur einkommensrelevante Veränderungen, die bis dahin schon entstanden waren oder solche, die mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Zukunft entstehen werden (in der Ehe angelegt waren), können danach den Bedarf beeinflussen.

Wird das Kind des neuen Partners also noch in der alten, noch nicht geschiedenen Ehe geboren – und auch nur einen Tag vor der mündlichen Verhandlung-, so prägt der Kindesunterhaltsanspruch und der Unterhaltsanspruch der nichtehelichen Mutter gem. § 1615 l BGB die ehelichen Lebensverhältnisse und damit die Höhe des Bedarfs des dann geschiedenen Ehegatten; wird das Kind bspw. erst nach der Scheidung geboren, kann sein Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau nicht mehr auf der Bedarfsebene entgegen gehalten werden.

Allerdings kann ein Splittingvorteil aus einer neuen Ehe dann konsequenterweise auch nicht die Höähe des Bedarfs des geschiedenen Ehegtaten beeinflussen, denn dieser Splittingvorteil entsteht aus der neuen Ehe und soll der neuen Ehe vorbehalten sein.

Der Unterhaltsbedarf ergibt sich danach aus dem um den Erwerbstätigenbonus bereingten Einkommen des Unterhaltspflichtigen nach Vorabzug des prägenden Kindesunterhalts und Eleminierug des Splittingvorteils und dem – auch fiktiven – Einkommen des unterhaltsberechtigten Ehepartners nach Abzug auch des Erwerbstätigenbonus. Die so bereingten Einkommen werden addiert, die Hälfte davon stellt den Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen dar.

Und wo bleiben die neue Ehefrau oder Mutter eines „nachehelichen“ Kindes und gar das „nacheheliche“ Kind selbst, das im Rang sogar vor der geschiedenen Ehefrau (§ 1609 BG) liegt?

Der BGH löst das Problem jetzt auf der Ebene der Leistungsfähigkeit:

Der Unterhaltspflichtige muss nur insoweit Unterhalt leisten, als es mit Rücksicht auf die Bedürfnisse, die Erwerbsmöglichkeiten und die Vermögensverhältnisse des unterhaltsberechtigten (geschiedenen) Ehegatten billig – dieser Begriff ist entsprechend auszulegen – ist.

Die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltspflichtigen gegenüber einem geschiedenen Ehegatten wird auch durch sonstige gleich- oder sogar vorrangige Unterhaltspflichten beinflusst.

Gibt es beispielsweise einen gleichrangigen weiteren Unterhaltsberechtigten (die neue Ehefrau, die ein Kind aus der neuen Beziehung betreut), kann der frühere Ehegatte nicht den vollen Unterhalt im Sinne der Halbteilung verlangen, weil dem Unterhaltsverpflichteten und dem neuen Partner gemeinsan nur ebensoviel bliebe. Dem Unterhaltspflichtigen muss im Verhältnis zum früheren Ehegatten also mehr als die Hälfte des Einkommens verbleiben, um auch für die weiteren – gleichrangigen – Unterhaltspflichten leistungsfähig sein zu können.

Und – oh Wunder – jetzt darf auf dieser Ebene wieder der Dreiteilungsgrundsatz des gesamten vorhandenen Einkommens angewendet werden!

Der BGH gibt dann abschließend noch weitere Hinweise zur Berechnung des Unterhalts sämtlicher Beteiilgten, wie beispielsweise die Berücksichtigung eines Synergieeffekts durch gemeinsames Haushalten. Aus allem folgt mehr denn je:

Die Unterhaltsberechnung gehört in die Hände eines Fachmannes/einer Fachfrau!

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