Sorgsame Testamentsformulierung erspart Streit
Die Frage, was ein oder mehrere Erblasser wirklich wollten, als sie ihr Testament abfassten, ist immer dann zu klären, wenn die Formulierung des Testamentes so ungenau ist, dass mehrere Deutungen möglich sind.
In einem vom Oberlandesgericht München zu entscheidenden Fall hatten sich Eheleute gegenseitig zu Erben eingesetzt, so dass der Längstlebende der alleinige Erbe sein sollte und die beiden gemeinsamen Kinder dann wiederum den länger lebenden Ehegatten zu gleichen Teilen beerben sollten. Der überlebende Erbe sollte hinsichtlich des beweglichen und unbeweglichen Vermögens so genannter unbeschränkter Vollerbe werden; lediglich für den Fall, dass der überlebende Ehegatte wieder heiraten sollte, sollte er nur „befreiter Vorerbe“ werden und mit dem Tag der neuen Eheschließung die beiden Kinder der Erblasser Nacherben werden. Gleichzeitig wurde angeordnet, dass für den Fall, dass eines oder beide Kinder bereits beim ersten Erbfall ihren Erbteil beanspruchen sollten, sie für beide Erbfälle auf den so genannten Pflichtteil gesetzt würden.
Die Ehefrau verstarb dann im Jahre 2000, der Ehemann verstarb erst 2010, heiratete nicht neu, ging aber eine neue dauerhafte Lebensbeziehung mit einer neuen Partnerin ein. Zu Gunsten derer errichtete er dann ein weiteres Testament, in dem die Lebensgefährtin als Alleinerbin eingesetzt wurde und die beiden gemeinsamen Kinder lediglich auf den (einzelnen) Pflichtteil gesetzt wurden.
Gemäß des letzten Testamentes beantragte die Lebensgefährtin dann einen Erbschein, der sie als Alleinerbin nach dem verstorbenen Lebensgefährten ausweisen sollte. Die Kinder des Erblassers wiederum beantragten einen Erbschein dahingehend, dass sie beide zu je ½ Erbe nach dem Erblasser geworden seien.
Das zunächst zuständige Amtsgericht kündigte dann im Erbscheinsverfahren an, den Erbschein zu Gunsten der Erbfolge der gemeinsamen Kinder erteilen zu wollen; hiergegen legte die Lebensgefährtin des Erblassers Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.
Das Oberlandesgericht sah sich nunmehr veranlasst zu klären, ob das gemeinsam errichtete Testament der Eheleute nach dem Vorversterben des einen Ehegatten durch den überlebenden Ehegatten überhaupt noch abgeändert werden durfte. Ferner musste ermittelt werden, wie die Erbeinsetzung in dem ersten notariellen Testament überhaupt gemeint war.
Das Oberlandesgericht hielt zunächst fest, dass eine konkrete und ausdrückliche Regelung für die Erbfolge nach dem Ableben des überlebenden Ehegatten im gemeinschaftlichen Testament nicht enthalten sei. Es sei daher der wirkliche Wille der Erblasser zu erforschen.
Das Gericht stellte dabei weiter fest, dass sich allein aus dem Umstand, dass die gemeinsamen Kinder für den ersten Erbfall enterbt wurden und für den Fall, dass sie ihr Erbe doch beanspruchen sollten, für beide Erbfälle auf den Pflichtteil gesetzt wurden, noch nicht ergibt, dass sie in jedem Fall Schlusserben nach dem überlebenden Ehegatten sein sollten. In der Kombination mit der hier getroffenen Wiederverheiratungsklausel wird nach Auffassung des Oberlandesgerichtes allerdings deutlich, dass der Nachlass nicht an einen neuen Partner und dessen Verwandte fallen sollte, so dass der Schluss nahe liegt, dass die Erblasser von der Vorstellung ausgegangen sind, dass die gemeinsamen Kinder grundsätzlich nach dem Tod des überlebenden Ehegatten in den Genuss des gemeinsamen Vermögens kommen sollen.
Weiter kommt das Oberlandesgericht zu dem Ergebnis, dass diese Schlusserbeinsetzung auch wechselbezüglich im Sinne von § 2270 BGB war, so dass der überlebende Erblasser schon deshalb gehindert war, nach dem Tode des vorverstorbenen Ehegatten einseitig eine Abänderung der gemeinsam getroffenen Anordnung vorzunehmen. Wechselbezügliche Anordnungen im gemeinsamen Testament können nämlich nur gemeinsam von der Testierenden geändert werden, so dass eine Änderung nach dem Todes des ersten Ehegatten nicht mehr zulässig ist.
Demgemäß erkannte das Oberlandesgericht nunmehr rechtskräftig, dass die beiden gemeinsamen Kinder der Erblasser auch gemeinsam den Erblasser beerbt haben und dass die neue Lebensgefährtin des Erblassers „leer“ ausgeht.
Dieser Streit über immerhin zwei Instanzen zeigt einmal mehr, dass bereits bei der Gestaltung des Testaments sorgfältig auf eindeutige und klare Formulierungen geachtet werden muss.
Weiter zeigt sich allerdings auch, dass sowohl bei der Neugestaltung eventueller Verfügungen nach dem Tode eines Erstverstorbenen die Sach- und Rechtslage sorgfältig und fachmännisch geprüft werden muss, um am Ende unliebsame Überraschungen zu vermeiden.
Auf der anderen Seite muss nicht jede Änderung eines ursprünglich getroffenen letzten Willens von den später ausgeschlossenen Erben widerspruchslos hingenommen werden. Streit unter den möglichen Erben kann daher nur durch eine frühzeitige und kompetente Beratung und Gestaltung vermieden werden.