Neue Möglichkeiten beim Unterhaltsvorschuss

Leben die Eltern eines minderjährigen Kindes getrennt und zahlt der das Kind nicht-betreuende Elternteil nicht den Mindestunterhalt für das Kind, besteht die Möglichkeit, Unterhaltsvorschuss nach dem Unterhaltsvorschussgesetz zu erlangen.

Was aber passiert, wenn die getrennt lebenden Eltern das gemeinsame Kind/die gemeinsamen Kinder beide, aber in unterschiedlichem Umfang, betreuen?

Bislang gingen die Gerichte davon aus, dass entscheidend auf die persönliche Betreuung und Versorgung, die das Kind bei dem anderen Elternteil erfährt, und die damit einhergehende Entlastung des allein erziehenden Elternteils, abzustellen sei.

Nur dann, wenn der den Unterhaltsvorschuss beantragende Elternteil tatsächlich die alleinige Verantwortung für die Sorge und Erziehung des Kindes trägt, trotz der Mitbetreuung durch den anderen Elternteil, könne Unterhaltsvorschuss bewilligt werden, weil der Schwerpunkt der Betreuung und Fürsorge des Kindes ganz überwiegend bei dem antragstellenden Elternteil liege.

Anders sei dies aber, wenn eine wesentliche Entlastung des antragstellenden Elternteils durch die Pflege und Erziehung des Kindes beim anderen Elternteil erfolge.

Damit war die zu klärende Frage, wann liegt eine wesentliche Entlastung des den Unterhaltsvorschuss beantragenden Elternteils vor?

Die Instanzgerichte haben eine solche wesentliche Entlastung in aller Regel dann gesehen, wenn beide Elternteile weiterhin die elterliche Sorge gemeinsam ausüben und über das normale Umgangsrecht hinausgehende Betreuungsleistungen des anderen Elternteils vorliegen. (Das übliche Umgangsrecht besteht in einem Umfang von 2 Wochenenden pro Monat plus hälftige Ferienzeiten)

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat zuletzt das Merkmal der Alleinerziehung, welches Voraussetzung für die Gewährung von Unterhaltsvorschuss ist, abgelehnt, wenn Betreuungsleistungen des anderen Elternteils in einem zeitlichen Umfang von ca. einem Drittel vorliegen.

Genau gegen dieses Urteil war Revision zum Bundesverwaltungsgericht eingelegt worden.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 12.12.2023 die maßgeblichen Voraussetzungen festgesetzt.

In der Sache selbst konnte das Bundesverwaltungsgericht noch nicht entscheiden, weil in den Vorinstanzen der genaue Umfang der Betreuungsleistungen des anderen Elternteils nicht genau aufgeklärt worden war.

Das Bundesverwaltungsgericht kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass erst ab einer Entlastung durch einen Betreuungsanteil von 40 vom Hundert (oder mehr) der Anspruch auf Unterhaltsvorschuss zu versagen sei.

Dabei müsse der durch die Mitbetreuung eintretende Entlastungseffekt ausschließlich im Hinblick auf die Zeiten der tatsächlichen Betreuung ermittelt werden, also nach den Zeiten, das Kind in der Obhut des einen oder des anderen Elternteils verbringt, und zwar ohne Wertung und Gewichtung einzelner Betreuungsleistungen. Vereinbarungen zum Umgangsrecht oder der Bezug des Kindergeldes könne nur eine indizielle und keine grundsätzliche Bedeutung zukommen.

Festzuhalten ist danach, dass in den Fällen des sogenannten erweiterten Umgangsrechtes – also mit Betreuungsleistungen unterhalb des echten Wechselmodells bis zur Grenze von 40 vom Hundert – nunmehr gleichwohl Unterhaltsvorschuss beantragt werden kann und bewilligt werden muss.

Dies korrespondiert durchaus mit den Regelungen zum Kindesunterhalt, in denen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Barunterhaltspflichten bestehen, solange nicht ein echtes Wechselmodell vorliegt. Der Bundesgerichtshof zieht die Grenze dazu noch immer etwas höher und nimmt ein echtes Wechselmodell in aller Regel erst an, wenn ein Betreuungsanteil von 47 vom Hundert zu 53 vom Hundert erreicht wird.

Die Fälle, in denen also trotz der Betreuungsleistungen des anderen Elternteiles Unterhaltsvorschuss beantragt werden kann, dürften also häufiger werden.

In geeigneten Fällen lohnt sich mithin ein Neuantrag oder auch ein Rechtsmittel gegen noch „offene“ ablehnende Bescheide.

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