Mindestunterhalt oder eigene Berufsausbildung?

Das OLG Hamm musste sich mit dieser Fragestellung beschäftigen. Doch nicht nur diese Frage musste geklärt werden, sondern darüber hinaus auch (mal wieder) die Frage, in welcher Höhe eine Leistungsfähigkeit besteht bei (erfolglosen) Bewerbungsbemühungen.

Worum geht es? Die 35jährige Kindesmutter sollte für das mittlerweile 11jährige Kind Kindesunterhalt zahlen. Sie war jedoch der Auffassung, sie sei nicht bzw. nicht ausreichend leistungsfähig. Sie führte die fehlende Leistungsfähigkeit u.a. darauf zurück, dass sie angesichts der angestrebten Erstausbildung nicht genug verdient habe, um vollen Kindesunterhalt zu zahlen.

Das OLG Hamm machte ihr allerdings einen  Strich durch diese Rechnung:

Zwar sei einer Erstausbildung des Unterhaltsschuldners auch gegenüber der gesteigerten Unterhaltspflicht stetes der Vorrang einzuräumen gemäß der ständigen Rechtssprechung des BGH. Denn die Erlangung einer angemessen Vorbildung zu einem Beruf gehört zum eigenen Lebensbedarf des Unterhaltspflichtigen. Unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände sei es der Kindesmutter hier allerdings verwehrt, sich auf diese Grundsätze zu berufen, denn die Kindesmutter hatte in der Vergangenheit bereits zahlreiche Versuche unternommen, eine Ausbildung zu erlangen, diese aber jeweils abgebrochen. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sie auch ohne Berufsausbildung in der Lage ist, genug zu verdienen, um  den Kindesunterhalt zu zahlen, hätte die Kindesmutter sich frühzeitig um eine solche Arbeitsstelle, statt einer Ausbildungstelle, bemühen müssen.

Da die Kindesmutter nunmehr als Sachbearbeiterin ca. 1.425,00 € monatlich verdient, ist sie nach Auffassung des OLG Hamm auch in der Lage, den vollen Mindestunterhalt zu zahlen, auch wenn unter Berücksichtigung berufsbedingter Aufwendungen (Fahrtkosten) und des Selbstbehaltes möglicherweise noch ein Fehlbetrag verbleibe. Diesen kann die Kindesmutter durch die Aufnahme einer zusätzlichen geringfügen Nebentätigkeit ohne Weiteres decken. Die entsprechenden Einkünfte seien ihr, die sie darlegungsbelastet ist für alle Umstände, die gegen die Annahme einer solchen Nebentätigkeit sprechen könnten, auch zuzurechnen, da sie sich offensichtlich um eine solche Stelle bislang überhaupt nicht bemüht habe.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers sei sie jedoch nnur Zahlung des Mindestunterhalts verpflichtet, auch wenn sie nur einem Kind zum Unterhalt verpflchtet sei und deshalb eine Höherstufung in Betracht käme. Diese Höherstufung setzt aber voraus, dass der so genannte Bedarfskontrollbetrag gewahrt bleibe, der sicherstellen soll, das Unterhalt und Einkünfte in  einem angemessenen Verhältnis stehen. Da der Bedarfskontrollbetrag der 2. Einkommensgruppe jedoch nicht gewahrt sei, sei keine Höherstufung vorzunehmen. (Beschluss des OLG Hamm vom 25.04.2015, 12 UF 225/14)

Diese Entscheidung des OLG Hamm ist wahrlich nicht überraschend,. sondern war durchaus zu erwarten, zeigt aber wieder einmal mehr, dass die Umstände des Einzelfalles sorgfältig herausgearbeitet werden müssen, soll ausnahmesweise auch nur eine teilweise Leistungsunfähigkeit zum Mindestunterhalt angenommen werden (können). Mit pauschalen Darstellungen lässt sich kein Blumentopf gewinnen.

Rechtsanwalt Thomas Misikowski, Fachanwalt für Familienrecht

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