In einer bereits viel diskutierten Entscheidung vom 12.02.2014 hat der BGH sich erneut mit der Frage des Elternunterhalts auseinandergesetzt.
Im hier maßgeblichen Fall war die Ehe der Eltern geschieden worden, als der Sohn gerade 18 Jahre war. Kurze Zeit später brach der Kontakt zum Vater vollständig ab.
Der 1923 geborene Vater bestritt seinen Lebensunterhalt als Rentner aus seiner -geringen- Rente sowie den Erträgen aus einer Lebensversicherung.
In einem notariellen Testament verfügt er unter anderem, dass seine Lebensgefährtin Alleinerbin werden solle und der Sohn lediglich den „strengsten Pflichtteil“ erhalten solle. Als Grund gab der Vater in diesem notariellen Testament an, dass er seit 27 Jahren keinen Kontakt mehr zu seinem Sohn habe.
Der Vater lebte dann in der Zeit von April 2008 bis Februar 2012 in einem Seniorenheim und verstarb dort. Da dessen Einkünfte aus Rente/Lebensversicherung nicht ausreichten, musste die Gemeinde -die Stadt Bremen- ergänzende Leistungen erbringen. Nach dem Tod des Vaters trat die Stadt Bremen deshalb an den Sohn des Verstorbenen heran und machte bei diesem noch offene Kosten für den Zeitraum Februar 2009 bis Januar 2012 in Gesamthöhe von ca. 9.000,00 € geltend.
Das zuständige Amtsgericht hat den Sohn entsprechend verurteilt, auf dessen Beschwerde hat das Oberlandesgericht die Entscheidung aufgehoben und den Antrag zurückgewiesen, weil Unterhalt von dem Sohn nicht verlangt werden könne, nachdem zwischen Vater und Sohn über eine solch lange Zeit keinerlei Kontakt bestanden habe.
Gegen diese Entscheidung legte die Stadt Bremen Rechtsbeschwerde ein, so dass der BGH letztlich zu entscheiden hatte.
Der BGH wiederum hob die Entscheidung des Oberlandesgerichtes auf und führte aus, dass die Unterhaltsansprüche, die auf die Stadt Bremen wegen der von der Stadt Bremen gewährten Leistungen übergegangen sei, nicht verwirkt sei.
Der alleinige Kontaktabbruch zum Zeitpunkt der Volljährigkeit des Sohnes reiche dafür nicht aus. Es dürfe nämlich nicht übersehen werden, dass der Kontaktabbruch als solcher zwar eine Verfehlung des Vaters darstelle, diese sei aber nicht als „schwere Verfehlung“ im Sinne von § 1611 Satz 1 Alt. 3 BGB zu werten.
Darüber hinaus dürfe auch nicht übersehen werden, dass der Vater gegenüber seinem Sohn in den ersten 18 Lebensjahren, als die Familie noch intakt war, seinen Elternpflichten genügt habe. Deshalb sei es nicht unbillig, wenn jetzt der Sohn -trotz des langen Kontaktabbruchs- wegen der übergegangenen Ansprüche haften müsse.
Fazit:
Auch an dieser Stelle wird wieder deutlich, dass es wichtig ist, möglichst frühzeitig die Frage einer möglichen Haftung klären zu lassen.
Dazu gehört auch, zu prüfen, ob die Unterhaltsansprüche überhaupt auf den Leistungsträger übergegangen sind.
Dies könnte nämlich gemäß § 94 Abs. 3 SGB XII ausgeschlossen sein, wenn der Übergang des Anspruchs eine unbillige Härte bedeuten würde. Die Schwelle der „unbilligen Härte“ gemäß § 94 Abs. 3 SGB XII ist dabei niedriger anzusetzen als die Schwelle des § 1611 BGB, wo nämlich eine vorsätzlich schwere Verfehlung oder die gröbliche Vernachlässigung der Unterhaltspflichten gefordert wird.
Sind die Ansprüche tatsächliche übergegangen, wird es darauf ankommen, durch den entsprechenden Sachvortrag die zuständigen Sachbearbeiter bei der Gemeinde oder gegebenenfalls die Richter davon zu überzeugen, welche besonderen Umstände gleichwohl gegen eine Inanspruchnahme des herangezogenen Kindes sprechen.
Rechtsanwalt Thomas Misikowski, Mitglied im Netzwerk „Anwälte für Elternunterhalt“ und Fachanwalt für Familienrecht